Ein grober Stammbaum des Shotokan Karate

 

 

Im Folgenden wird eine Herleitung der Ursprünge der Karate Stilrichtung Shotokan versucht. Dieser Versuch ist keineswegs vollständig und soll nur aufgrund einer groben Darstellung wesentliche Kennzeichen und Urväter der Stilrichtung aufzeigen. Die Karate Stilrichtung Shotokan wird auf Funakoshi Gichin (1868-1957) zurückgeführt. Ihr Name wurde von seinem Künstlernamen „Shoto“ (Pinienrauschen) abgeleitet. Er selbst war gar nicht darüber begeistert, dass Stilrichtungen im Karate entstanden. Für ihn war Karate immer eins. Funakoshi hatte die Aufgabe, Karate von der Insel Okinawa aufs japanische Festland zu bringen. Seine Schüler wandelten Karate in eine Sportart um und gründeten die JKA (Japan Karate Association). Gründungsvater war Nakayama Masatoshi (1913-1987), dessen Schüler Karate in der ganzen Welt verbreiteten.

 

Aber wo sind die früheren Ursprünge des Shotokan Karate? Dies ist eine Frage, die insbesondere praktische Karateka interessieren sollte. Denn das Vermächtnis dieser großen Urväter zu verstehen und zu entschlüsseln, vermittelt jede Menge praktischer Grundlagen und macht das eigene Karate effektiver.

 

Eine wichtige Wurzel des Karate ist das Tode, eine okinawanische Kampfkunst, die einen bekannten Vertreter Sakugawa „Tode“ Kanga (1733 – 1815) hatte. Dieser war Schüler von Takahara Peichin, der ihm empfahl auch bei Kushanku Unterricht zu nehmen. Kushanku war ein chinesischer Gesandter, der von 1756 bis 1762 auf Okinawa verweilte. Von diesem lernte Sakugawa chinesische Kampfkunst (Kung Fu) und verschmolz sie mit seinem Tode. Sakugawa formte die Kata Kushanku, die heute im Shotokan als Kanku Dai und Kanku Sho zu finden ist. Diese lehren sehr effektive Methoden, die Extremitäten eines Angreifers zu kontrollieren und ihn auszuschalten. Auch später gab es von anderen Meistern noch Kontakte nach China, so dass Karate immer wieder vom chinesischen Kung Fu befruchtet wurde.

 

Matsumura „Bushi“ Sokon (1798-1890) war der berühmte Schüler Sakugawas. Er erlangte einen legendären Ruf und bekam den Beinamen Ritter „Bushi“. Matsumura war Leibwächter von drei verschiedenen Königen Okinawas und wird von vielen auch als Musashi Okinawas bezeichnet. Das zeigt, welche Bedeutung er für Karate und seine Entwicklung hat. Vor allem vermittelt seine Kampfschule sehr viel praktisches Wissen zum Selbstschutz und zum Schutz anderer. Seine bevorzugte Kata war wohl die Matsumura no Passai, die im Shotokan noch als Bassai Dai und Bassai Sho vorkommt.

 

Ein entscheidender Schritt zur Verbreitung des Karate war die Einführung ins Schulsystem auf Okinawa. Verantwortlich dafür war Meister Itosu Yasutsune (1830-1918), der ein Schüler Matsumuras war. Itosu schuf aus der Kata Channan die Pinan/Heian Serie und hielt dort seine bevorzugten praktischen Grundprinzipien des Karate fest. Auch Elemente aus anderen Kata sind dort zu finden. So bilden die Pinan/Heian Kata das Fundament für Shotokan und andere Stilrichtungen. Auf Itosu gehen die Aufteilung der Kushanku in Kanku Dai und Kanku Sho und der Passai in Bassai Dai und Bassai Sho zurück. Für die Kata Naihanchi, die wir heute als Tekki kennen, schuf er drei Teile (Tekki Shodan, Nidan und Sandan). Alle sind fundamentale Kata für Shotokan und auch für die Nahe-Te Schule.

 

Itosus Schüler Funakoshi sorgte dann für die weitere Verbreitung von Karate und wird daher gerne auch als Vater des modernen Karate bezeichnet. Ein weiterer Schüler Itosus sollte im Stammbaum des Shotokan nicht fehlen, auch wenn er sicherlich nicht begeistert wäre, im Zusammenhang mit Funakoshis Stilrichtung gesehen zu werden. Waren die beiden doch große Rivalen und hatten auch körperliche Auseinandersetzungen, die Funakoshi stets verloren hat. Dieser zweite Schüler war Motobu Choki (1870-1944), der als bester Kämpfer seiner Zeit galt. Seine bevorzugte Kata war die Naihanchi oder Tekki Kata.

 

Von diesen Meistern zu lernen, sollte das Ziel eines jeden Studenten des praktischen Karate sein. Auch die Meister aus anderen Stilrichtungen sollten studiert werden. Das kann dabei helfen, das moderne neu zu denken und zu verbessern. Denn viele Lösungen im Zusammenhang mit dem Kämpfen waren schon den alten Meistern bekannt und wurden von ihnen in ihren Kata festgehalten. Wenn wir von ihnen lernen, können wir unser eigenes Karate verbessern.

 

Carsten

 

30.07.2022

 


Kindergraduierungen bei Nahe-Te

 

 

Eine der ältesten und treffendsten Beschreibungen, was praktisches Karate bedeutet, findet sich im ersten Grundsatz von Yasutsune „Anko“ Itosu:

 

Karate wird nicht bloß für den eigenen Vorteil geübt, es kann zum Schutz der Familie oder des Herren eingesetzt werden. Es ist nicht zur Verteidigung gegen einen einzelnen Angreifer gedacht, stattdessen ist es ein Weg Verletzungen zu verhindern, indem man Hände und Füße benutzt, sollte man zufälligerweise mit einem Schurken oder Bösewicht zusammentreffen.

 

(Übersetzung aus dem Englischen von Axel Siebert)

 

In diesem Sinne werden auch Kinder in der Nahe-Te Shotokan Schule unterrichtet. Dabei sollen sie lernen, gefährliche Situationen vorausschauend zu erkennen, ihnen auszuweichen und sie zu vermeiden, die Umgebung zu kennen und zu nutzen, selbstbewusst aufzutreten, potenziell gefährliche Personen anzusprechen, klare Grenzen zu setzen, Gefahren zu entschärfen, Hilfe einzufordern und Gefahren heil zu entkommen.

 

In der Nahe-Te Shotokan Schule werden ab dem Alter von 16 Jahre Gürtelprüfungen abgenommen. Kinder unter 16 Jahren dagegen sollen ihr Wissen und Können im Training zeigen. Neben Grundschulübungen aus dem Karate und Kata, sollen spielerische Kampfformen, Schlagtraining an den Pratzen, bestimmte Kampffähigkeiten sowie theoretisches Wissen und kleine Projektarbeiten nachgewiesen werden. Dabei wird auf kindgerechte Anforderungen besonderer Wert gelegt. So wird zum Beispiel nicht wie bei den Erwachsenen harter Kontakt bei den Schlägen auf die Pratzen gefordert, da Kinder noch keine vollausgebildeten Gelenke, Muskeln und Körperstrukturen haben. Die Projekte sollen anregen, sich mit dem Thema Karate auch außerhalb des Trainings auseinander zu setzen. Die Erfüllung der Aufgaben im Training soll motivierend auf die Kinder wirken und ihnen möglichst viele Erfolgserlebnisse ermöglichen. So können auch je nach Bedarf Wochenaufgaben verteilt werden, die in der Folgewoche im Training gezeigt und testiert werden.

 

Die Kinder erhalten einen Laufzettel für ihren jeweilig nächsten Grad und können in zwei Schritten zur nächsten Stufe gelangen. Damit jedem Kind eine Eigenverantwortung übertragen wird, ist der Laufzettel individuell zugeteilt. Er ist in jedem Training mitzuführen, damit die Trainer die gezeigten Leistungen abzeichnen können.

 

Um Fortschritte dokumentieren zu können, muss jedes teilnehmende Kind selbst an den Laufzettel denken (nicht etwa die Eltern).  Wird der Laufzettel verloren, gibt es nirgendwo ein anderes Dokument, das zeigt, wie weit sie die Anforderungen für den jeweils nächsten Gürtel erfüllt haben.

 

Die Trainer tragen beherrschte Aufgaben und Übungen ein, es genügt nicht diese Übung einmal gemacht zu haben.

  

Projektarbeiten müssen den Trainern gezeigt werden, damit sie auf dem Laufzettel testiert werden können, der Wissenstest wird zwischendurch abgefragt. Die Kinder können auch aktiv auf die Trainer zugehen, wenn sie meinen, den Wissenstest bestehen zu können.


Sind alle Übungen der ersten Stufe auf dem Laufzettel abgezeichnet, bekommt das Kind zum Zeichen ein rotes Band, welches an den Gürtel gesteckt wird. Sind alle Übungen der ersten und zweiten Stufe erfüllt, dann erhält das Kind eine Urkunde und darf die nächste Farbe tragen.

 

Carsten

 

04.07.2021

 


Corona - Eine Bestandsaufnahme

 

 

Seit einem Jahr müssen wir uns auch im Karate mit der Covid-19 Pandemie auseinandersetzen. Die intensiven Kontaktbeschränkungen beeinträchtigen gerade eine Kontaktsportart wie Karate ganz besonders. Trotzdem ist es gelungen einen regelmäßigen Trainingsbetrieb aufrechtzuerhalten. Da erging es uns besser als vielen anderen Sportarten. Anfangs wurde sich mit dem Verteilen von Trainingsaufgaben über kleine Videoeinspielungen auf Homepages oder in den sozialen Medien geholfen. Im Laufe der Zeit lernten wir immer mehr und immer besser Videokonferenzen zu nutzen. Im Lockdown war das ein gutes Mittel, um gemeinsam zu trainieren. Ich erinnere mich an das erste Online Training, das ich gegeben habe. Nach einiger Zeit ohne direkten Kontakt mit der Trainingsgruppe war das eine große Erleichterung und eine großartige Erfahrung. Endlich konnte man wieder gemeinsam üben. Im Laufe der Zeit lernte man auch unterschiedliche Hilfsmittel im Training einzusetzen und interessante Inhalte zu gestalten. Es steht außer Frage, dass das Feedback der Trainingspartner fehlt. Das ist im Solo Training leider nicht zu ersetzen. Dennoch kann man viele Eigenschaften und Fähigkeiten trainieren. Eines hat sich gerade für uns Karateka als besonders wichtige Fähigkeit im Online Training herausgebildet – die Visualisierung. Dabei geht es darum, sich vorzustellen, was man mit den einzelnen Techniken macht und wie ein echter Gegner reagieren würde. Damit kann man Kombinationen und Übungsabfolgen aufbauen und so üben, dass sie möglichst effektiv im Wettkampf oder der Selbstverteidigung funktionieren können. Auch klassische Solo Trainingsformen wie wir sie in der Kata haben, können so mit neuem Leben gefüllt werden. Solo-Pratzen-Training und das Arbeiten mit Kampfsportpuppen oder Sandsäcken helfen zu visualisieren und haben im letzten Jahr einen besonderen Stellenwert eingenommen. So kann man sogar unter den Einschränkungen der Pandemie Dinge lernen, die man sonst vielleicht nicht gelernt hätte und Fortschritte im Karate erzielen. Ziel dabei ist es darauf hinzuarbeiten, dass man gute Grundlagen hat, wenn wieder mit Kontakt und Partnern trainiert werden kann.

 

Um ein gutes Online Training machen zu können brauch man einen klaren Plan und viel Fantasie zum Gestalten ansprechender und lehrreicher Inhalte. Aus der Literatur habe ich viele Anregungen bekommen. Dabei sollte man immer auch in andere Sportarten schauen. Wie bereits erwähnt kann man auch im Online Training bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten schulen. Um die Fitness meiner Trainingsgruppe zu steigern bzw. zu erhalten, habe ich sehr viele Anregungen und Übungen zum Trainieren mit dem eigenen Körpergewicht übernommen. Tierbewegungsformen oder gymnastische Yogaabläufe eignen sich auch sehr gut für das Fitnesstraining. Daneben kann man auch immer wieder Karate Grundschulelemente einbauen, um eine sportartspezifische Schulung zu erreichen. Zur Koordination habe ich Übungen mit Bo- und Arnis-Stöcken eingeführt. Als wir im Sommer 2020 wieder kurz zusammen trainieren konnten, nutzen wir das Erlernte, um die Anwendungen einer Kata mit und ohne Stöcke zu analysieren. Das zeigte wieder eindrücklich, dass wir immer vor Augen haben sollten, dass wir uns mit dem Online-Training auf die Zeit vorbereiten, wenn wir wieder in der Gruppe trainieren können. Ungemein bereichernd für mein Training waren die Online Seminare, die ich bei Kit Sièn Tjong und Iain Abernethy machen konnte. Kit Sièn hat mehrere Trainingsgruppen, die er auch Online betreut. Bei ihm lernte ich viel von klebenden Händen und das Visualisieren der Anwendungen dazu. Iain regte großartige Kombinationen und Solo-Pratzen-Drills an. Wer die Möglichkeit hat, bei solchen Trainern zu lernen, kann sich auch für das Online und das Solo Training hervorragende Anregungen holen.

 

Ganz wichtig ist, dass man trotz vieler Unsicherheiten nicht aufhört zu planen. Daher habe ich auch fortwährend Online Seminare organisiert und Präsenzseminare im Herbst angesetzt. Die Hoffnung ist, dass bis dahin diese Veranstaltungen wieder möglich sind. Ganz wichtig dafür und für den Wiedereinstieg ist ein schlüssiges Hygienekonzept zum Schutz der Teilnehmer. Dabei spielen die bekannten AHA-Regeln natürlich eine grundlegende Rolle. Für das Karatetraining sollte man verschiedene Stufen vorsehen, die Abstand, Kontaktverfolgung, Kontaktbegrenzung zum Beispiel durch Bilden von festen Trainingspaaren, Desinfizieren, Lüften und eine eingeschränkte Nutzung von Umkleiden, Toiletten und Duschen berücksichtigen sollten. Je nach Lage und Kenntnisstand müssen diese Konzepte ständig angepasst und verbessert werden. Mit dem Fortschreiten des Impfens sollten wir darauf vorbereitet sein, im Laufe des Jahres mit dem Präsenztrainingsbetrieb wieder zu beginnen. Auch wenn der genaue Zeitpunkt noch nicht feststeht, können wir getrost optimistisch sein und die Hoffnung auf Besserung nicht verlieren. Bis dahin hoffe ich, dass sich möglichst viele Karateka im Online und Solo Training fit halten und bereit für den Wiedereinstieg sind.

 

Carsten

 

27.03.2021

 


Literaturtipp

 

Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung

Thomas Glavinic

Piper Verlag GmbH, München 2017

 

Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung – wer bei dem Titel ein Kochrezept zur Selbstverteidigung erwartet wird enttäuscht. Das Thema ist zu komplex, um es in ein einfaches Schema oder Rezept zu pressen. Allerdings erhält man bei dem Buch von Thomas Glavinic eine unterhaltsame Sicht auf Täter und Opfer, deren Absichten und Verhaltensweisen, auf psychologische Aspekte eines zu vermeidenden Kampfes und den Umgang mit Angst und wie man die daraus resultierende Freeze Situation überwindet. Glavinic zeigt, dass man als normaler Mensch sehr viel erreichen kann, ohne ein Super-Kampfkünstler zu sein. Auch wenn er das Trainieren einer Kampfkunst als sehr nützlich sieht und einen groben Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten gibt, geht es ihm vor allem um den Umgang mit „Lianenschwingern“ und anderen Tätertypen. Kampfkunsttraining kann dabei außer technischen Fähigkeiten das Selbstbewusstsein stärken und hilft aggressiven Menschen zu begegnen. Aus dem Wing Tsun kommend, kann Glavinic natürlich am meisten dazu berichten. Dennoch bemüht er sich, ein ausgeglichenes Bild zu vermitteln und den Nutzen der unterschiedlichen Systeme einzuschätzen. Das mag nicht immer komplett korrekt sein, dennoch zeigt er, dass es im Grunde zwei Formen der Kampfkünste gibt „Raufen und Hauen“ bzw. Ringen und Boxen. Ein völliger Neuling wird sich aufgrund des Buches nicht die passende Kampfkunst aussuchen können. Ausprobieren bleibt einem nicht erspart. Dennoch kann man sich aufgrund der Übersicht ein paar Anregungen aus dem Buch ziehen. Insgesamt ist das Buch lesenswert, wenn man sich mit dem Thema Selbstverteidigung befasst und in relativ kompakter Weise viel gute Verhaltenstipps bekommen möchte. Unterhaltsam ist es durch die manchmal launige Art des Autors eigene Erlebnisse sehr bildlich zu beschreiben. Das macht die Inhalte sehr praxisnah und nützlich.

 

Carsten

 

 

22.08.2020


5-Stufen-Plan zum Trainingsbetrieb unter Corona Auflagen

 

Als Kontaktsport steht Karate vor besonderen Herausforderungen, einen Weg zurück zu einem normalen Trainingsbetrieb unter Corona Auflagen zu finden. Dies stellt die Dojos und Trainer vor besondere Herausforderungen, da auf unabsehbare Zeit Kontakt vermieden werden muss, um

Ansteckungen mit dem COVID-19 Virus zu vermeiden. Dabei gibt es im Karate traditionelle Trainingsinhalte wie Kata und Kihon, die unter Einhaltung des Mindestabstands durchführbar sind. Auch können mit Fantasie neuere Trainingsformen gefunden werden, die ein Abstandhalten möglich machen. Dabei müssen persönliche Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen beachtet werden. Schon unter

normalen Umständen legen Karatevereine in ihren Dojokun ein besonderes Augenmerk auf Sauberkeit und Hygiene. Vor dem Training Hände und Füße waschen, lange Haare zusammenbinden, saubere, kurzgeschnittene Finger- und Zehennägel und ein Fernbleiben bei ansteckenden Krankheiten ist standardmäßig gefordert. Unter Corona Bedingungen müssen diese Vorgaben an verschiedenen Stellen verschärft werden. Diese verschärften Auflagen einzuhalten bedarf es einer hohen Disziplin, die traditionell im Karate Teil der Etikette ist. Oft belächelt, kann die beinahe militärische Disziplin und das Training in Reihen und Linien dabei helfen, Abstandsregeln einzuhalten. Kleingruppen- oder gar Einzeltraining können ein erster Schritt in den Trainingsbetrieb nach Lockerung der Corona

Auflagen sein. Zum Trainingsbetrieb unter Corona Auflagen schlage ich hier ein 5-Stufen Konzept vor, das je nach Bedarf, Gegebenheiten und öffentlichen Vorgaben angepasst werden kann.

 

Stufe 5 – Online Trainingsbetrieb

 

Diese Stufe bietet sicherlich den höchsten Schutz vor Ansteckung, da Karate allein zu Hause (drinnen oder im Freien) trainiert wird. Dabei werden von den Trainern Anleitungen über soziale Dienste oder eine Homepage zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus können Training oder Seminare mit Videokonferenzen online angeboten werden. Leider fehlt so das gemeinschaftliche Erlebnis und das Partnertraining, das für unsere Kampfkunst so enorm wichtig ist. Daher kann diese Form als Ergänzung weitergeführt werden, sollte aber möglichst durch gemeinsames Training im Dojo ersetzt werden.

 

Stufe 4 – Einzel- und Kleingruppentraining im Dojo mit großem Abstand

 

Diese Stufe ermöglicht ein Training im Dojo. Allerdings ist dabei auf größtmöglichen Abstand zu achten. Partnertraining und Körperkontakt sind nicht möglich. Es wird einzeln oder in Kleingruppen trainiert. Trainingsinhalte werden vor allem im Bereich Kata, Grundschule (Kihon), Gymnastik, Kraft, Ausdauer und Koordination liegen. Solo Training am Sandsack ist möglich. Trainingsgeräte und Hilfsmittel können zum Einsatz kommen, sollten aber selbst mitgebracht werden. Nutzt man vorhandene Geräte (z.B. Sandsäcke) müssen die nach jeder Nutzung desinfiziert werden. Folgende besondere Verhaltensregeln

gelten:

  • Keine Zuschauer erlaubt
  • Duschen und Umziehen zu Hause
  • Trainingsgeräte und Hilfsmittel vor und nach Nutzung desinfizieren
  • Nur eigene Geräte nutzen (mitbringen!) - Ausnahme Sandsack oder ähnliche Geräte
  • Shirt unter Gi tragen
  • Hallenschuhe tragen
  • Auf Mund-/Nasenschutz (Alltagsmaske) kann verzichtet werden, wenn Abstände > 1,5 Meter eingehalten werden (trotzdem für die Laufwege bitte mitbringen)
  • Coaching nur auf Distanz

Stufe 3 – Einzel- und Kleingruppentraining im Dojo mit mittlerem Abstand

 

Partnertraining und Körperkontakt sind in dieser Stufe erstmals wieder möglich. Ein Partnerwechsel ist noch nicht möglich, so dass mögliche Ansteckungen auf den geringstmöglichen Personenkreis beschränkt werden. Zwischen den Zweiergruppen muss größtmöglicher Abstand (> 1,5 Meter) gehalten werden. Leichter Kontakt ist erlaubt. Möglichst kleine Gruppen sollten gleichzeitig in der Halle trainieren. Trainingsinhalte werden weiter im Bereich Kata, Grundschule (Kihon), Gymnastik, Kraft, Ausdauer, Koordination und Sandsack Schlagtraining liegen. Außerdem sind leichte Kumite Sparring Formen möglich. Trainingsgeräte und Hilfsmittel können zum Einsatz kommen, sollten aber selbst mitgebracht werden. Nutzt man vorhandene Geräte (z.B. Sandsäcke) müssen die nach jeder Nutzung desinfiziert werden. Folgende besondere Verhaltensregeln gelten:

  • Keine Zuschauer erlaubt
  • Duschen und Umziehen zu Hause
  • Trainingsgeräte und Hilfsmittel vor und nach Nutzung desinfizieren
  • Nur eigene Geräte nutzen (mitbringen!) - Ausnahme Sandsack oder ähnliche Geräte
  • Shirt unter Gi tragen
  • Hallenschuhe tragen
  • Auf Mund-/Nasenschutz (Alltagsmaske) kann verzichtet werden, wenn Abstände > 1,5 Meter eingehalten werden (trotzdem für die Laufwege bitte mitbringen); Beim Partnertraining muss ein Kopfschutz mit Visier getragen werden.
  • Coaching nur auf Distanz

Stufe 2 – Gruppentraining im Dojo, Nahdistanz unter Schutzmaßnahmen möglich

 

Hinzu kommt in dieser Stufe das Partnertraining in näherer Distanz. Ein Partnerwechsel ist noch nicht möglich, so dass mögliche Ansteckungen auf den geringstmöglichen Personenkreis beschränkt werden. Zwischen den Zweiergruppen muss größtmöglicher Abstand (> 1,5 Meter) gehalten werden. Körperkontakt, Greifen, Würfe, Bodenkampf sind erlaubt. Mittlere Gruppengrößen können gleichzeitig in der Halle trainieren. Trainingsinhalte sind unter hygienischen Schutzmaßnahmen nicht mehr

eingeschränkt. Trainingsgeräte und Hilfsmittel können gestellt werden, sollten aber bei jedem Wechsel zu einem anderen Schüler desinfiziert werden. Ausrüstung wie Handschützer, Handschlagpolster und andere, die während des Trainings nicht einfach zu desinfizieren sind, müssen als persönliche Ausrüstung mitgebracht und dürfen nicht zwischen Personen getauscht werden. Folgende besondere

Verhaltensregeln gelten:

  • Keine Zuschauer erlaubt
  • Duschen und Umziehen zu Hause
  • Trainingsgeräte und Hilfsmittel vor und nach Nutzung und bei Übergabe desinfizieren
  • Barfuß-Training erlaubt (Füße genauso wie Hände vor und nach dem Training waschen!)
  • Beim Partnertraining muss ein Kopfschutz mit Visier getragen werden.
  • Coaching kann in näherer Entfernung erfolgen, der Trainer sollte aber Mund-/Nasenschutz tragen

Stufe 1 – Normalität ohne Corona-Auflagen

 

Stufe 1 stellt die Normalität vor Corona dar. Es gibt keine weiteren Regeln außer den normalen, oben

beschriebenen Dojokun. Diesen Zustand wieder zu erreichen, ist das Ziel des dargestellten 5-Stufen-Plans.

 

Unter Umständen müssen in einem Dojo unterschiedliche Trainingsgruppen zur gleichen Zeit in einer unterschiedlichen Stufe trainieren. Je nach Gruppengröße und -zusammensetzung muss das im

Einzelnen entschieden und die Stufen Schritt für Schritt durchlaufen werden. Möglicherweise können einzelne Stufen auch übersprungen werden. Das hängt von der allgemeinen Entwicklung und den Vorgaben der Behörden ab. Das Ziel bleibt, möglichst bald wieder zum uneingeschränkten Trainingsbetrieb übergehen zu können. Allerdings ist die höchste Priorität der Gesundheitsschutz.

 

Carsten

 

04.05.2020

 

 

 


 

Naihanchi – Die effektivste Kata

 

Von Iain Abernethy

 

 

(übersetzt von Jessica Kallmaier)

 

 

 

Die Kata Naihanchi (Tekki) wird in den meisten Karate Stilrichtungen praktiziert. Das Wort Naihanchi bedeutet soviel wie „seitwärts kämpfen“, Aufgrund der unverwechselbaren Embusen (Boden Schema) der Kata. Dieses Embusen führte oft dazu, dass viele Karateka glauben, die Kata sei dazu gedacht für den Kampf auf einem Boot oder wenn man mit dem Rücken zur Wand steht usw. Wie wir später sehen werden, haben die Schritte seitwärts nichts zu tun mit einem Kampf auf einem Boot, sondern mit einem äusserst effektiven außer Gefecht setzen eines Gegners. Im Shotokan  wird die Kata Tekki genannt, was übersetzt „ Eisenreiter“ bedeutet und vermutlich auf den Stand Kiba-Dachi zurück zuführen ist. In der Vergangenheit war Naihanchi oft die erste Kata, die unterrichtet wurde, aber heutzutage tendiert es dazu, dass sie erst beim braunen Gürtel vorgestellt wird. Naihanchi ist visuell nicht beeindruckend, es sind keine extravaganten Techniken oder auffallende Sprünge enthalten, was dazu führt das viele Schüler sie nicht gerne praktizieren. Mit der Kata ist es unwahrscheinlich irgendwelche Trophäen zu gewinnen und häufig wird sie widerwillig gelernt und praktiziert. Ich persönlich glaube, dies ist eine große Schande, denn wie ich es sehe, hat die Kata den Karateka viel zu bieten.

 

 

Von Sokon  Matsumura (1796-1893) wird behauptet, Naihanchi ins Karate gebracht zu haben. Matsumura verschmolz die einheimische okinawanische Kampfkunst „Te“ mit verschiedenen Methoden der chinesischen Kempo miteinander, welche dann unter dem Namen Shuri-Te bekannt wurde. Matsumuras Kampfkünste waren so gut, dass er sowohl als Bodyguard als auch als Kampkust-Ausbilder von den drei aufeinander folgenden Königen der Ryukyu Inseln ernannt wurde.

 

 

Matsumura erfüllte diese Rolle bis die Monarchie 1879 aufgelöst wurde. Als zusätzliche Anerkennung  seiner Künste wurde er oft als „Bushi“ (Krieger) bezeichnet.  Neben seinen Pflichten als Bodyguard besuchte Matsumura als ein Gesandter in staatlichen Angelegenheiten gelegentlich China. Während dieser Reisen wollte er Kempo von den chinesischen Militäattaches studieren und lokale Kampfkunst Schulen besuchen. Es ist möglich, dass Matsumura der erste war, der Naihanchi auf einer seiner Reisen vorstellte. Er könnte außerdem Anweisungen von einem der vielen chinesischen Kampfkünstler die Okinawa besuchten erhalten haben und in die Kata aufgenommen haben.

 

 

Unter Matsumuras Schülern war Anko Yasutsune (1830-1915), welche rauch bei Sho Tai (dem letzten König von Ryukyu) als Schreiber angestellt war. Itosu war auf Naihanchi spezialisiert und glaubte das es sowohl die einfachste und doch zugleich die schwierigste zu erlernende Kata war. Itosu entwickelte und überarbeitete viele Kata und er war es auch der die Nidan und Sandan Versionen geschaffen hat und der ursprünglichen Kata seine Shodan-Nachsilbe gegeben hat. Heutzutage praktizieren manche Stile alle drei Versionen (z.B. Shotokan) und manche nur das Original (z.B. Wado-Ryu). Es wird gesagt, das die beiden Naihanchi Kata die von Itosu geschaffen wurden,speziell für den Unterricht von Schülern entwickelt wurden und dadurch nicht die gefährlichen Techniken enthalten wie das Original. Es ist wahrscheinlicher, dass die Nidan und Sandan Versionen Varianten einer Thematik sind und noch viele effektive Kampftechniken enthalten (wenn du weißt wo/wohin du sehen musst). Hironori Otsuka (Gründer des Wado-Ryu) hingegen glaubte, das die Nidan und Sandan Versionen  „nahezu nutzlos“ sind und das is möglicherweise der Grund warum sie vom Wado-Ryu Lehrplan ausgelassen werden. Im Gegensatz zu seiner Abneigung der Nidan und Sandan Versionen, erklärte Otsuka das das Original (Shodan) seine Lieblingskata war.

 

 

Es war im Jahre 1901 als Itosu Karate in das physikalische Erziehungsprogramm für Okinawas Schüler stellte. Itosu glaubte das Karate viel zu gefährlich war um es Kindern beizubringen und machte sich an die Verschleierung  der hoch effektiven Techniken der verschiedenen Kata. Das Ergebnis  der Veränderungen war, das Itosu den Kindern in den Kata hauptsächlich schlagen und blockieren beibrachte. Bedeutend ist, wenn man Naihanchi (und wirklich alle Kata) betrachtet wie die Mehrzahl des modernen Karate Itosus Fachbegriffe benutzen. Daher gab das Label eine Technik heraus, welche eine Verschleierung der beabsichtigten Anwendung darstellt.

 

 

Meine Überzeugung ist es, dass Naihanchi viele hoch effektive Techniken und Konzepte beinhalted, welche großen Werte für die heutigen Karateka darstellen. Nur wenige Schüler heutzutage widmen ihr wegen ihrer einfachen Erscheinung die nötige Aufmerksamkeit, die sie Verdient. Wie schon vorher erwähnt, wird das verschlimmert durch die Tatsache, das viele Ausbilder erklären das die Kata für den Kampf auf einem Boot, oder auf erhöhtem Land zwischen Reisfelder entwickelt wurde. Mit diesen Erklärungen ist es unwahrscheinlich, dass die Studenten die Kata schätzen, weil sich nur wenige in solchen bizarren Situationen wiederfinden werden. Alle Seitwärts schritte in der Kata sind dafür da, um den Gegner zu stellen und zu treffen, der sich nun aufgrund der vorhergehenden Technik nicht mehr im Zentralbereich befindet oder um aus dem Wirkungsbereich des gegnerischen Angriffs zu gelangen. Sie haben nichts zu tun mit dem kämpfen um Reisfelder herum!

 

 

Es muss klar sein, das jede Kata dafür beabsichtigt ist, als ein eigenständiges Kampfsystem verwendet zu werden und das sie nicht dafür entwickelt wurde, sie in Verbindung mit anderen zu benutzen( auch wenn es keinen Grund gibt das sie es nicht könnte). Jede Kata zeichnet die Kampftechniken und Grundsätze der Person auf, die sie entwickelt hat. Es ist lächerlich zu behaupten, das der Erfinder der Naihanchi  „ ein Spezialist beim Kampf im Reisfeld“  war, dass ein Krieger wie Matsumura nur im entferntesten an solchen Methoden interessiert sei, oder dass Itosu auf diese Methoden spezialisiert sein würde und dann darauf besteht, dass seine Schüler ein Jahrzehnt mit der Perfektionierung der Techniken für solch eine entfernte Möglichkeit verbringen. Es ist weit mehr wahrscheinlicher, das Itosu glaubte, die Naihanchi würde so effektiv sein, dass selbst wenn es die einzige Kata wäre die die Schüler erlernten, sie trotzdem sehr fähige Kämpfer wären.

 

Die Aussage, dass Naihanchi  als ein eigenständiges Selbstverteidigungssystem beabsichtigt war, wird in den Schriften und Lehren von Choki Motobu  (1871-1944), welcher in Okinawa ein sehr gefürchteter Kämpfer war, unterstützt. Im Jahr 1926 schrieb Motubu  „Die Naihanchi,Passai,Chinto und Rohai Stile haben China heutzutage nicht verlassen und bleiben nur in Okinawa eine aktive Kampfkunst“. Das Schlüsselwort des Zitats ist „Stile“. Dies lässt darauf schließen, dass Motobu glaubte,  dass alle Katas ins sich geschlossene Systeme sind.  Hironori Otsuka, welcher Anweisungen von Motobu für die Kata erhielt, weist auf die enthaltene Menge an Wissen innerhalb der Naihanchi in seinem Buch „Wado Ryu Karate“ hin. In dem Buch erklärt Otsuka, das man für die Kata mehr als ein Leben brauchen würde, um sie zu beherrschen und dass es „etwas Tiefgründiges in Ihr gibt“.

 

Choki Motobu war der dritte Sohn und daher war es nicht gestattet, das Familiensystem zu studieren (Motobu-Ryu), da dies nur das Privileg des ersten Sohnes war. Motobu war eifrig daran interessiert zu lernen wie man kämpft und versuchte alles was er durch die heimliche Beobachtung von seinem Vater und dem ältesten Sohn sehen konnte, in sich aufzunehmen. Dies erwies sich als frustrierend und Motobu entschied sich dazu selbst zu trainieren, indem er ein Makiwara und große Steine als Gewichte benutzte. Motobu erlangte viel Kraft und erntete den Spitznamen „Saru“ (Affe) aufgrund seiner Gewandtheit. Motobu war als Kind unkontrollierbar und als er erwachsen wurde, nahm er oft an Kämpfen teil, um seine Fähigkeiten zu testen und zu entwickeln. Motobu gewann ein paar formale Unterrichtsstunden aufgrund der Sympathie von Sokon Matsumura, Tokumine, Kosaku Matsumura und Anko Itosu. Allerdings war seine Beziehung zu seinen Lehrern immer belastet durch seinen ständigen Wunsch, sich zu beweisen. Dieses Verhalten war auch der Grund, aus welchem er von Itosus Dojo verwiesen wurde.

 

Motobu spielt eine große Rolle bei der Verbreitung von Karate nachdem er 1921 einen europäischen Profiboxer in Kyoto besiegte. Motobu entschied sich aufzutreten nachdem sein Lehnsherr ihm eine Anzeige mit Herausforderern zeigte. Es wird berichtet, das  Motobu den gegnerischen Schlägen auswich bevor er sich schnell nach vorne bewegte und den Boxer mit nur einem Schlag bewusstlos schlug. Das Publikum war begeistert, wie leichtfertig er den Boxer besiegte und die Nachricht über den Kampf verbreitete sich rasch. Die Japaner waren nun sehr Begierig darauf mehr über die bisher unbekannte Kunst des Karate zu erfahren. Das Ergebnis war, das Motobu ein Vollzeitlehrer wurde. Trotz seines Rufes wird gesagt, das über Motobu gut gesprochen wurde und er seinen Schülern die Wichtigkeit eines guten Umgangs beibrachte.

 

Motobu war zweifellos einer der fähigsten Kämpfer und was interessant ist –im Bezug auf diesem Artikel- die Tatsache, das die Kata, die er in seinem Unterricht hervorhob, Naihanchi war. Dies könnte als unwichtig abgewiesen werden, denn wie einige sagen war Naihanchi die einzige Kata die er kannte (manche sagen er kannte auch Passai). Die Tatsache das Motobu nur eine oder zwei Kata kannte war nicht unüblich, da es für diese Zeit die Regel war nur wenige Kata zu studieren. Obwohl die alten Meister nur ein paar Formen kannten, verstanden Sie diese in der Tiefe und hatten die Fähigkeit diese anzuwenden. Heutzutage ist die Situation natürlich anders mit der vergleichsweise schlechten Qualität der Kenntnis von vielen Kata. Dies ist nicht unbedingt schlecht, da dies dafür sorgt, dass Karate sein Erbe nicht verliert, aber es wäre klüger, sich ein oder zwei Kata herauszupicken um diese in der Tiefe zu studieren. Motobu war zweifellos ein Pragmatist, der seinen Kampf sehr ernst nahm. Was berücksichtigt werden muss ist, das Motobus Schüler unter seiner Leitung studierten um Ihre Kämpfe zu verbessern und er betrachtete das Studium der Naihanchi offensichtlich als ein wichtiger Teil des Kämpfens. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es sehr zweifelhaft, das ein Kämpfer wie Motobu sich damit plagen würde die Kata zu lernen oder seinen Schülern zu lehren, wenn er geglaubt hätte sie hätte einen zu geringen Wert.

 

Motobu wird nachgesagt, viele Schlag- und Wurftechniken aus der Naihanchi entnommen und unterrichtet zu haben. Diese Techniken sind selten gesehen unter den unrealistischen Anwendungen die oft mit der Kata heute assoziiert werden. Eine Technik von besonderem Interesse ist die „Nami-Gaeshi“ oder auch „zurückkehrende Welle“ (jap.). Diese Anwendung, die häufig dieser Bewegung zugeschrieben wird, ist ein Ausweichen auf einen Fußfeger. Diese Anwendung ist nicht besonders effektiv oder relevant für eine Selbstverteidigungssituation gegen ein Gegner der höchst unwahrscheinlich ein Karateka ist. Obwohl in manchen Stilrichtungen die Füsse höher kommen, ist es doch meist so das die Füße auf Höhe des Kniegelenks sind. Der Zweck ist, den Kata Praktizierenden zu zeigen, wo genau der Tritt auf die Beine des Gegners gerichtet werden soll. In manche Okinawa Karate Stilen wird das treten in die Innenseite der Knie des Gegners als „Naihanchi-Geri“ bezeichnet. Es wird gesagt das Motobu einmal diesen Naihanchi-Geri benutzte um seinen Gegner das Bein zu brechen.

 

Es sollte keinen Zweifel geben, das Nahkampffähigkeiten wichtig sind, wenn es um die eigene Verteidigung geht. Naihanchi bietet viele Anwendungen im Nahkampfbereich. Die Techniken sind sehr direkt und verhältnismäßig leicht anzuwenden. Man kann unter anderem die eingebundene Verwendung von Schlagen und Greifen sehen, welche bei einem Nahkampf  der Schlüssel zum Erfolg ist. Ein Blick auf die Anwendungen von der Eröffnungssequenz der Kata zeigt, wie effektiv diese Form ist. Jede einzelne Bewegung hat das Potential eine Angreifer auszuschalten und wenn sie in Kombination (wie die Kata sie lehrt) angewandt wird, tödlich sein kann. Diese Sequenz wird dargestellt in „Karates Grappling Methods Vol.1“.

 

Die erste Bewegung der Sequenz platziert den Verteidiger innerhalb des effektiven Bereichs der Schläge des Gegners. Dieser Schlag wird auf die Karotid Sinus ausgetragen, was Bweustlosigkeit zur Folge hat, aufgrund dessen, dass das Gehirn den Schlag als hohen Blutdruck falsch interpretiert und der Körper ergreift Maßnahmen zum Schutz gegen eine Hirnblutung (auch ein gewaltiger Stoß in diesen Bereich kann zur Bewusstlosigkeit führen).  Der Zug am rechten Arm wirft die linke Schulter des Gegners zurück und daher verhindert der Wurf von einem wirksamen Schlag gefolgt ein Scheitern des Verteidigers, falls der anfängliche Schlag des Verteidigers nicht ausreichen sollte, ihn außer Gefecht zu setzen. Der Zug wird außerdem die Wirksamkeit des Schlages des Verteidigers erhöhen. Sollte der Gegner nur benommen sein, sichert die rechte Hand des Verteidigers den Kopf des Gegners, sodass ein Schlag mit dem Ellenbogen auf die Schädelbasis ausgeführt werden kann. Das Kleinhirn wird erschüttert, wodurch der Gegner desorientiert ist und ihm die motorischen Fähigkeiten fehlen. Ein kräftiger Schlag könnte tödlich sein, dadurch das der Schädel von der Wirbelsäule getrennt wird. Der Kopf des Gegners wir dann ergriffen und mithilfe der Haare oder des Ohres, falls die Haare zu kurz sind, auf die linke Seite nach unten gezogen. Diese Verdrehung des Halses in zwei Richtungen kann zu schweren Schäden führen. Falls der Gegner immer noch funktionsfähig ist, wird ein Schlag auf das Kiefer das Gehirn des Gegners erschüttern, sodass dieser zu Boden fällt. Wenn der gegner zu Boden fällt, positioniert sich der Verteidiger neu, bevor er auf den Schädel des am Boden liegenden Angreifers tritt. Aufgrund des starken Hochhebens des Beines wird der tritt im Shotokan sehr betont. Die ganze Kombination dauert Sekunden um sie auszuführen und beinhaltet eine Menge gefährlicher Techniken. Offensichtlich ist jede Technik im Einzelnen sehr effektiv aber wenn sie in Kombination zueinander ausgeführt werden, sind die Auswirkungen verheerend (und würden nur in extremen Situationen gerechtfertigt sein). Diese ersten Bewegungen schaffen einen Eindruck auf die Wirksamkeit und Schwere der Anwendungen von Naihanchi.

 

Die Methoden und Techniken der Naihanchi sind hoch wirksam und würdigen eine tiefe Studie. Ob Techniken visuell beeindruckend sind oder nicht sollte nie eine Überlegung sein. Das einzige was zählt ist, ob die Techniken den Gegner außer Gefecht setzen. Naihanchi war Teil der Kampfkust von Matsumura, Itosu, Funakoshi, Otsuka, Motobu, Mabuni usw und alle diese warenfähige Kämpfer. Wenn du andere mit deiner Kata beeindrucken willst, dann wird dir die Naihanchi wenig bringen. Wenn du jedoch wirksame Nahkampftechniken erlernen willst und du in die Fusstapfen von manchen großartigen Karate Meistern treten willst, dann sollten Naihanchi und deren Anwendungen unerbittlich bis in die Tiefe studiert werden.

 


Shotokan Karate zur Selbstverteidigung

 

Seit mehreren Jahren lege ich in meinem Training einen Schwerpunkt auf praktisches Karate. Das heißt, dass ich einen strukturierten Ansatz verfolge mit der Analyse der Kata-Techniken, Shotokan Karate zur Selbstverteidigung und zum Schutz einzusetzen, so wie es ursprünglich entworfen und ausgeübt wurde. Der Ruf des Karate allgemein und von der Stilrichtung Shotokan im Besonderen hat in den letzten Jahrzehnten stark gelitten, da man im Karate immer mehr eine Entwicklung in Richtung des Wettkampfsports forciert hat. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, dies hat aber dazu geführt, dass das ursprüngliche Wissen der Kampfkunst verschüttet ging. Heute gibt es viele große – auch japanische – Meister, die sehr viel über Athletik, Sport und Wettkampf, nicht aber über echten Kampf und Selbstverteidigung wissen. In dem Maße wie Karate sich erfolgreich als Wettkampfsport immer weiter in der Welt verbreitet hat, haben andere Kampfsportarten wie Wing Tsun, Krav Maga, Systema, Brazilian Jiu Jutsu, MMA usw. den Ruf erlangt, effektive Selbstverteidigungssysteme zu sein. Das ist auch durchaus korrekt, aber die gleichen Prinzipien und effektiven Mittel finden sich auch im Karate. Das hat mir schon in den Neunzigern Karate-Legende Gilbert Gruss auf einem Lehrgang gesagt und mir gleichzeitig empfohlen, mein eigenes Karate zu finden und zu entwickeln. Das war für mich immer ein Leitsatz und macht für mich den Meister in einer Kampfkunst aus. Auf diesem Weg habe ich nun einen entscheidenden Schritt getan. Ich habe mir von Iain Abernethy ein Prüfungsprogramm anerkennen lassen, das Shotokan Karate für den praktischen Einsatz zur Selbstverteidigung trainiert. Iain ist ein weltweit führender Vertreter des praktischen Karate und Cheftrainer der World Combat Association (WCA). Diese von Peter Consterdine und Geoff Thompson geleitete Organisation versammelt alle möglichen Kampfkünste unter einem Dach, sorgt für einen Austausch und versorgt die ihr angeschlossenen Trainer mit äußerst wertvollem Wissen, das in dieser Form und in dieser Menge sonst nur selten zu finden ist. Diese weltweit anerkannte Organisation hat mir tolle Hilfen zur Verfügung gestellt und ich empfinde es als große Anerkennung, dass mein Prüfungsprogramm nun dort genehmigt wurde. Das zeigt, dass mein Training zur Selbstverteidigung bestens geeignet ist. Ich habe mich schon vor einiger Zeit der WCA angeschlossen, trage den 4. Dan und bin zertifizierter Instructor. Mit der Genehmigung meines Programms kann ich Dan-Prüfungen bis zum 3. Dan abnehmen, die den Anforderungen der WCA entsprechen. Mein Prüfungsprogramm habe ich Nahe-Te in Anlehnung an die alten Stilbezeichnungen Shuri-Te, Naha-Te oder Tomari-Te benannt. Es bedeutet „die Hand von der Nahe“. Freilich habe ich damit keine neue Stilrichtung geschaffen oder einen neuen Verband gegründet. Ich mache nach wie vor Shotokan – allerdings mit einer anderen Ausrichtung als der rein wettkampfsportlichen wie wir es im DKV schwerpunktmäßig betreiben. Auch werde ich dem DKV nicht den Rücken kehren. Für mich ist das, was ich mache, ein Zusatzangebot mit praktischem Nutzen und ergänzt das Sporttraining hervorragend. Sollte jemand Interesse an einem Werdegang mit Prüfungen in praktischem Karate haben, kann er sich gerne an mich wenden.

 

Carsten

 

10.12.2017

 

 

 

 

Kampfkunst und Realität

 

Karate hat, wie viele andere Kampfkünste auch, durch die Entwicklung zum sportlichen Wettkampf eine weltweite Verbreitung gefunden. Andere Kampfkünste haben diese Entwicklung bewusst ausgeschlossen oder sind als effektive Selbstverteidigungssysteme neu entstanden. Dabei betonen ihre Vertreter die Innovationskraft und überlegene praktische Wirksamkeit ihres Systems und schauen eher abfällig auf die Künste, die eine sportliche Entwicklung nahmen. Aber auch die Ursprünge der sportorientierten Kampfkünste liegen in der Selbstverteidigung und sind nicht minder effektiv.

 

Entscheidend ist nicht das System oder die Kampfkunst selbst, sondern die Art und Weise wie man sie trainiert. Wer erfolgreich sein will, muss zielgerichtet trainieren. So kann man sein Training auf verschiedene Ziele ausrichten: Wettkampf- oder Breitensport, Selbstverteidigung oder Gesundheitstraining. All diese Möglichkeiten können im Karate verfolgt werden. Wichtig ist immer, dass man sich bewusst macht, was man wofür trainiert. Denn man wird immer die Dinge anwenden, die man im Training geübt hat - ob im Turnier oder im Falle eines realen Angriffs.

 

Vergleichen wir also die Grundlagen von Wettkampf- und Selbstverteidigungstraining:

 

Während es beim Wettkampf um den Sieg über einen Gegner und die Perfektion von Techniken (etwa bei der Kata) geht, legt ein Selbstverteidigungstraining Schwerpunkte auf die Wirksamkeit der Techniken und die Vermeidung eigener Verletzungen.

 

Selbstverteidigung erfolgt nicht nach einer einvernehmlichen Absprache wie beim Wettkampf sondern durch eine einseitige Aggression. Das Training für den Wettkampf beschränkt sich daher auf die Kampfphase, während zum Selbstschutz alle Phasen einer realistischen Bedrohung vor und nach dem Kampf geübt werden. Außerdem sind die Distanzen im Wettkampf durch Regeln beschränkt, während die reale Situation Erfahrung in allen Distanzen erfordert.

 

Die Kampfkunst strebt nach einer Vielzahl von Techniken, im Wettkampf wird sie allerdings auf die Erfolgstechniken beschränkt. Ähnlich ist es auch in der Selbstverteidigung. Dort übt man vor allem die Wirkungstechniken, die einen Angreifer ausschalten können und die man selbst unter Stress ausführen kann. Der Schwerpunkt wird hier eher auf grobmotorische Techniken gelegt, da feinmotorische Bewegungen unter Einfluss von Adrenalin schwer fallen. Der Kata-Wettkampf fordert dagegen sogar die Ausführung komplizierter und schwieriger Techniken mit hoher Präzision. Im Kumite-Wettkampf muss man sich mit Wettkampftechniken auseinandersetzen, während in der realen Situation gewöhnliche Gewaltakte vorherrschen. Diese werden von eher untrainierten Tätern ausgeführt und sind nicht unbedingt technisch anspruchsvoll aber energisch und brutal.

 

Aufgrund der technischen Schwierigkeit und Komplexität lernt man in der Kampfkunst und für den Wettkampf langsam (flache Lernkurve). Dagegen Bedarf es für die Selbstverteidigung einer steileren Lernkurve. Man muss schnell lernen, sich verteidigen zu können. Darüber hinaus sollte der Aufwand zur Erhaltung der Fähigkeiten gering sein, während der Aufwand technisch anspruchsvolle Techniken und Methoden zu bewahren sehr hoch ist.

 

Um die unterschiedlichen Ziele des Trainings erreichen zu können, müssen unterschiedliche Trainingsinhalte im Vordergrund stehen. Für den Wettkampf liegt der Schwerpunkt auf Technik- und Wettkampftraining während für die Selbstverteidigung Impact-, Simulations- und Szenarientraining die Hauptinhalte bilden. Dabei versucht man möglichst realistische Bedingungen zu simulieren. Das Wettkampftraining findet im Gi in der Halle auf einer Kampffläche statt, während Selbstverteidigung auch in Alltagskleidung und außerhalb des Dojos geübt werden sollte.

 

Kraft-Ausdauer wird in allen Fällen trainiert. Im Wettkampf legt man Wert auf Schnelligkeit, wohingegen die Selbstverteidigung Kraft und Abhärtung erfordert. Das sind allerdings auch konditionelle Eigenschaften für Vollkontakt- oder Grappling-Wettkämpfe. Eine Kampfkunst soll man bis ins hohe Alter ausüben können. Man muss je nach Alter seine Schwerpunkte und Trainingsinhalte anpassen. Der Wettkampf ist aber eher jüngeren Athleten vorbehalten.

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Gewalt und Brutalität die Unterscheidungsmerkmale zwischen Sport und Selbstverteidigung darstellen. Im Wettkampfsport geht es darum, Höchstleistungen unter geringem bzw. mittlerem Stress zu erbringen, während in der Selbstverteidigung eine akzeptable Leistung unter höchstem Stress das Ziel ist. Dementsprechend muss das Training dafür gestaltet werden und man sollte anhand der oben beschriebenen Unterscheidungsmerkmale erkennen, was man in der jeweiligen Einheit trainiert.

 

 

 

Carsten

 

31.12.2016